Der Moskauer Friedrichshain

Als Wahlberlinerin bin ich von meiner Stadt völlig überzeugt: Was ich sehe, gefällt mir. Und obwohl ich auch das Neue sehr schätze, sehne ich mich nach gewohnten visuellen Reizen. In dem Bezirk um die Patriarchenteiche in Moskau entdeckte ich ein Stückchen Berlin.

Stylische und gemütliche Cafés in den Erdgeschossen der Altbauhäuser, eines nach dem anderen reiht sich in den engen Straßen. Dazwischen lichtet sich mal die Enge und es kommt ein Fleckchen Grün mit Spielplatz und Sitzbänken an der Sonne zum Vorschein. So kennt man Friedrichshain. Aber Moment mal- ich bin in Moskau.

Hier ist man eher gigantische mehrspurige Straßen gewohnt, die wir als Stadtstraßenbahnen bezeichnen würden. Der Fahrzeuglärm ist für mich kaum erträglich: Man hört sich nicht, wenn man nebeneinander gehend versucht zu sprechen. Auch die Abgase geben einem das Gefühl, man würde im nächsten Moment seine Lunge aushusten müssen. Ich übertreibe nicht – die Menge der Abgase sieht man am Ruß und Staub in der Luft, die sich an den Gebäuden und an den Autos selbst absetzen. Und apropos Gebäude. Zwar gibt es in der Altstadt Moskaus viele Altbauten, jedoch dominieren das Stadtbild gigantische Gebäude aus der Sowjetzeit (Hammer und Sichel inbegriffen).

So laufe ich von der Bolshaya Sadovaya Straße – genau einer solchen Mega-„Allee“- in die Malaya Bronnaya und siehe da! Plötzlich wird es ruhiger, die Straßen enger, die Autos weniger… Dafür die Menschen umso mehr. Hier scheint – genau so wie der Friedrichshain – das Hipsterviertel Moskaus zu sein. Die coolen Boyz und Girlz hier sind natürlich ganz andere Früchtchen als in Berlin. Aber auf ihre eigene, moskauer Weise sind genau sie die It-People der Stadt.

Zu der It-Lebensart gehören natürlich auch die Lokale, die man hier en masse findet. Sich in eines davon hinein gesetzt, verstärkte sich bei mir das Gefühl, mitten in Friedrichshain zu sein. Nicht wegen der Menschen, sondern wegen der Umgebung.

Kleine Tischchen stehen vor dem großen Schaufenster eines jeden Lokals. Die Kellner servieren gut duftenden Kaffee und fancy aussehendes Essen. In den Schaufenstern erkennt man stylische Möbel, interessante Interieur-Details und offene Küchen.

Und natürlich möchte ich Euch auch diesmal meine gastronomische Erfahrung nicht vorenthalten. Diesmal besucht: das Uilliam´s. Nein, ich habe mich nicht verschrieben, man schreibt es vorne mit einem U. Ob das wohl der russischen Schreibweise, in der alle englischen Wörter, die mit der Kombination „Wi“ beginnen, in das Kyrillische mit einem У (U) übertragen werden, geschuldet ist?

Wie dem auch sei, das nette Lokal in der Malaya Bronnaya 20A brummt zur Mittagszeit. Uns wird ein Platz „für ungefähr ein Stündchen“ angeboten, immerhin (reservieren ist hier oberstes Gebot, vor allem in angesagten Lokalen, vor allem an Wochenenden). Wie immer wird man freundlich begrüßt und empfangen. Von der angeblichen Moskauer Unfreundlichkeit ist zumindest seit einigen Jahren keine Spur mehr. Der Dienstleistungsbereich hat endlich dazu gelernt, unabhängig davon, wie teuer oder günstig der Laden ist.

Das Menü ist relativ minimalistisch gehalten, Vorspeisen, Hauptspeisen aus Fisch, Fleisch und Vegetarischem, Desserts. Die Weinkarte ist allerdings extended. Zum neusten Hype in Russland, der Einhaltung der Fastenzeit vor Ostern, gibt es ein separates Kärtchen mit schonender Kost. Von eben dieser Karte suchte ich mir einen veganen Salade niçoise und einen Bratapfel zum Nachtisch aus, meine Begleitung entschied sich für den kalten Gambas -Salat.

Mein Nizza-Salat hatte frischen Feld- und Römersalat zur Basis und war verfeinert mit kalten Kartoffeln, Oliven, Radieschen, Schalotten, Grünen Bohnen und frischen Orangenspalten. Als Sauce wurde grünes Pesto beigegeben. Frisch und knackig, war die Komposition geschmacklich einwandfrei. Ein kleines Manko: die tiefe Schale, in der der Salat gereicht wurde, erschwerte das Essen mit Messer und Gabel erheblich. Von dem Garnelensalat meiner Begleitung durfte ich übrigens auch probieren: die Garnelen überzeugten mit Frische und saftigem Eigengeschmack.

Als Nachtisch teilten wir uns den besagten Bratapfel, der ein wenig weihnachtlich wirkt, hier aber typisches Fastenzeit-Dessert ist. Die leckeren Toppings aus frischen Beeren, Erdbeersauce, Kokos-Sorbet und Nussfüllung gaben dem Ganzen einen tollen Finish. Übrigens überzeugte mich auch der hiesige Latte: Mild, aromatisch, genau wie ich ihn mag.

Nach dem vorherigen Kurzausflug in das Bulgakov-Museum gaben mir nicht nur das Essen, sondern auch der Kaffee den nötigen Kick für einen Spaziergang bis zum Arbat. Auf dem Weg dorthin hatte ich sogar meine erste Celebrity-Begegnung in Moskau. Ein sehr bekannter russischer Komiker und TV-Moderator spazierte plötzlich durch die Tür des Cafés, in dem wir noch zusätzlich Halt gemacht haben (Coffee to go kann nie verkehrt sein). Schon komisch, wenn man jemanden in vita sieht, den man sonst nur aus dem Kasten kennt (vielleicht lag es an der ungewohnten Dreidimensionalität, dass ihn anscheinend sonst keiner erkannt hat).

P.S. Einige Eindrücke vom Eingang zum Bulgakov-Museum, versäumt aber nicht, seine Werke zu lesen. Ich empfehle wärmstens: Meister und Margarita, Hundeherz, Teufelsspuk/ Diaboliade.